wenn schon nicht für ein glücklich liebend Paar, so doch für eine Kochstelle. Für den Notfall. Der dann eintritt, wenn mich Pflegerin Nummer eins zu sehr nervt. Und das tut sie, weil sie einen ausgeprägten Reinlichkeitsfimmel hat und immer und überall Kurkuma verwendet. Selbst zum Mehl, das sie zum Panieren von Schnitzeln verwendet, gibt sie Kurkuma. Nach einigen Tagen stinkt das ganze Haus nach Kurkuma und Lysoform. Außerdem badet sie Hühnchenteile vor dem Zubereiten mindestens zwei Stunden in warmem Wasser, weil das die Salmonellen herauszieht. Was blieb mir also Anderes übrig als für die Möglichkeit der Selbstversorgung zu sorgen.
Das sind allerdings nicht die einzigen Veränderungen im Hause Zartgrau. Am Donnerstag werden einige Möbel geliefert, am Wochenende wird geschraubt, was das Zeug hält und dann gibt es hier auch einen großen Esstisch und bequeme Stühle, damit man wieder gemütlich zusammensitzen kann, ohne dass die Pflegerin dabei ist. Schließlich gibt es in einer Familie nicht nur small talk, sondern auch Dinge, die besser ohne neugierige Außenstehende besprochen werden wollen. Und Familienangehörige und Freunde, die Hunde haben, für die drüben Hausverbot besteht. Darum habe ich jetzt Nägel mit Köpfen gemacht und etwas für mein Wohlbefinden getan. Ärger macht nämlich alt und mit dem Altwerden will ich mir noch etwas Zeit lassen.
Kopfschütteln sitze ich vor deinem Bericht.
Dein Mütterchen akzeptiert/duldet diese Bevormundung?
Beklagt sich niemals bei dir?
Ja, ich weiß da hilft keine Diplomatie mit dieser „Hilfe“ umzugehen.
Mein quälendes Unbehagen wäre: wie geht SIE mit deiner Mutter um,
wenn kein Außenstehender dabei ist?
Ich habe – nach deinen früheren humorvollen Beiträgen – deine Mutter als eine sehr willensstarke Frau in Erinnerung.
Auch durch Krankheit und Schwäche kann nicht alles verloren gegangen sein?
Mein Gefühl sagt mir, sie traut sich nicht, denn diese „Hilfe“ hat sie (und dich und deine Vierbeiner) voll im Griff.
Keine Möglichkeit eines Austausches?
Hat die „Dame“ auch fürsorgliche-damit meine ich respektvoll liebenswerte Eigenschaften oder ist ihr ganzes Bestreben Keimfreiheit?
Entschuldige bitte meinen Beitrag, ich weiß er ist nicht aufbauend für dich, aber es zerreißt mich gerade innerlich.
Lieben Gruß
Heide
Dein Beitrag passt haarscharf, denn genau mit den gleichen Gedanken schlage ich mich auch herum. Sicher ist, dass sie eine sehr gute Pflegerin ist und dass sie Mutti bestens versorgt – was sowohl Pflege, Massagen als auch Physio betrifft. Kochen und backen ist nicht so ganz ihre Sache, aber Mutti ist zufrieden und isst, was ihr hingestellt wird. Wenn ihr etwas nicht so ganz schmeckt, sagt sie es mir und ich gebe das dann weiter. Manchmal hilft das, manchmal nicht. Salat zB macht sie nicht so gerne – da landet schon mal ein halber Kopf in der Biotonne statt in der Salatschüssel. Kauf halt nicht so viel, sagt sie, wenn ich sie darauf anspreche – da ist ihr egal, dass Mutti Salat liebt und ihn gerne vor dem Vergammeln gegessen hätte. Aber damit käme ich ja noch klar.
Nicht klar komme ich aber mit ihrem Verhalten. Ich weiß zwar, das 24-Stunden-Pflegerinnen zu 99% mit ihren Schützlingen alleine wohnen und tun und lassen können, was sie wollen – die Verwandten würden alles tolerieren und bezahlen, weil sie ein schlechtes Gewissen hätten, weil sie, aus welchen Gründen auch immer, nicht selbst betreuen und pflegen = Ansage einer Pflegeagentur-Chefin.
Bei uns ist es anders – ich bin da und kümmere mich. Zum Beispiel um Muttis Finanzen. In der ersten Woche habe ich der Nummer eins 50 Euro Wirtschaftsgeld gegeben, weil es so üblich ist, dass die Pflegerinnen auch den Einkauf tätigen. Unsere Vorratsschränke und Tiefkühltruhen sind bestens gefüllt, also hätte sie mit dem Geld locker Frischmilch, Gebäck, Eier und frisches Gemüse für zwei Wochen und zwei Personen finanzieren können. Aber weit gefehlt. Nach nur fünf! Tagen legt sie mir die Kassenbons vor und verlangt noch einmal einen Fünfziger. Nach Kontrolle der Kassenbons habe ich festgestellt, dass von den 50 Euro 39,54 Euro für Naschzeug draufgegangen ist. Für sie – Mutti und ich haben nix davon gesehen. Aufs Jahr hochgerechnet sind das 2000€ – da spiel ich nicht mit. Ich habe jetzt auch den Vorrat an Putz- und Reinigungsmittel, Kaffee und Zucker bei mir in Verwahrung, da ist nämlich auch Einiges verschwunden. Ich habe nicht gesehen und kann auch nicht beweisen, dass sie eingepackt hat, bevor sie nach Hause gefahren ist, aber wer sonst soll es gewesen sein?
Nach diesen und noch einigen anderen Vorkommnissen und der Erkenntnis, dass sie es auch mit der Wahrheit nicht so genau nimmt, habe ich natürlich Bedenken, ob es sinnvoll ist, sie weiterhin zu beschäftigen. Aber wer weiß, was nach ihr kommt? Von einer ehrlichen Haut, die mit Muttis Pflege nicht klar kommt, haben wir auch nichts. Also schau ma mal, was sich in den nächsten 2 Wochen tut. Auf jeden Fall werde ich ein wachsames Auge auf sie haben und noch zu deiner Frage: Länger als 2-3 Stunden würde ich sie mit dem Mütterlein nicht alleine lassen.
Liebe Gerlinde,
danke für deine Mühe und deine klaren Worte.
Kann mir gut vorstellen, dass es für dich belastend ist ständig mit wachsamen Auge herumzugehen.
Fotos und Beweise sammeln würde ich da jetzt einmal vorsichtig anraten.
Dass sie deine Mutti bestens versorgt ist sehr erfreulich.
Diebstahl wäre/ist ein sofortiger Entlassungsgrund.
Vielleicht verlegst du dich auf *Mundpropagada* und kannst dir eine erprobte Perle ins Haus holen.
Irgendwer weiß immer etwas. ;-)
Unserer Mobile Caritas Ärztin hat mir Horrorgeschichten von weinenden Pflegerinnen erzählt, die wie Sklaven gehalten werden. Auch das gibt es, leider.
Deine Geduld bewundere ich.
Lieben Gruß
Ach, weißt du, belastend ist für mich momentan überhaupt nichts mehr. Nach den letzten zwei Jahren, in denen Mütterchen körperlich immer mehr abgebaut hat und gleichzeitig immer fordernder geworden ist und den letzten sieben Monaten, in denen sie Tag und Nacht gepflegt werden musste und ich mit der Situation alleine fertig werden musste, ist das jetzt alles ein Klacks. Ich bin dabei mich frei zu strampeln, werde natürlich aufpassen, dass alles seinen korrekten Weg geht, mich ansonsten aber zurückziehen und versuchen mein eigenes Leben zu leben. Mütterchen ist trotz einiger Problemchen bestens versorgt und ich bin mehr als erleichtert, die Pflege nicht mehr selber stemmen zu müssen.
Jessas, kaum hab ich dich ein paar Monate aus den Augen verloren, finde ich dich in einem Pflegedrama wieder! Ich sag nur, sei froh (und das bist du anscheinend), dass dir die Last abgenommen wird. Unsere liebe Mum ist vor einem Jahr verstorben, und so sehr wir sie geliebt haben, war es eine große Erleichterung, dass sie nicht den vollen Verlust von allem, was ihr am Leben gefallen hat, erleben musste. Und wir sind froh, dass wir selber nicht alt und hinfällig werden mussten, sondern noch das „frühe Alter“ in Freiheit genießen können. Ich wünsche dir alle Gute, und viel Spaß mit dem Enkelkind, und mit deiner kleinen Kochfreiheit!
Mit „Pflegedrama“ liegst du gar nicht so falsch – wenn es nicht so deprimierend wäre, müsste man glatt lachen über das, was man mit Pflegeagenturen und Pflegerinnen erleben kann :-)
Deine Erfahrungen mit 24Stunden Pflege geht mir nicht aus dem Kopf.
Jetzt stelle ich mir vor, wie viele Kranke gibt es, die keine wachsamen Kinder haben?
Traurige und nachdenkliche Grüße
Ja, was meinst, was mir alles durch den Kopf geht! Wenn man Glück hat, kann es durchaus funktionieren, aber wenn man an so einen Drachen wie unsere Nummer eins gerät, hat man nix zu lachen. Vorige Woche erst hat Mutti geklagt, dass ihr die Kiefer weh tun – da hat sich herausgestellt, dass sie zum Nachtmahl eine altbackene Semmel mit 2 Wurstradeln drauf bekommen hat, obwohl sie kaum noch richtig beißen kann. Madame hat derweil Apfelkrapfen mit Vanillesoße für sich gemacht. Dass ich da explodiert bin, wird dich vermutlich nicht überraschen. So gut kann die gar nicht massieren können, dass sie nicht fliegt!