ZARTGRAU

Wie hält man einen Zug an?

Als ich neulich einmal – Frau gönnt sich sonst nichts – mit dem Zug nach Graz fahren wollte, hat sich zuerst einmal die Frage gestellt, von wo weg ich denn fahren wollte. Wir sind hier ja nicht in der Pampa und ich kann zwischen zwei Bahnhöfen wählen. Von Fürstenfeld weg fahre ich ja immer nach Wien, nach Graz könnte ich aber auch von Söchau weg fahren, was den Vorteil hat, dass es näher ist und man im Dorf gratis parken kann. Also einmal den Scotty, den Routenplaner der ÖBB, befragen, wie es denn mit Verbindungen Richtung Graz steht. Ohne Umsteigen in Fehring geht da gar nichts, hat der Scotty gemeint, aber egal, ich habe ja Zeit und außerdem kenne ich das Hinterland abseits der Bundesstraßen eh kaum – es kann also nicht schaden, wieder einmal etwas für die heimatkundliche Bildung zu tun. Das Online-Ticket war schnell gebucht und eine Viertel Stunde vor Abfahrt des Zuges stand ich am nächsten Morgen einsam und alleine auf dem Bahnhof.

Zu sehen gab es nicht viel außer dem kleinen Bahnhofhäuschen, Schienen und ein wenig Gegend. Richtig dankbar war ich, als ich die Aushangtafel an der Häuschenwand erblickte – wenigstens etwas, das mir die Zeit vertreiben kann, denn in der Not liest der Teufel auch Aushänge, wenn sich schon sonst nichts tut.

Bahnhofsaushang

Bahnhofsaushang

Bereits als ich die Überschrift des Aushangs gelesen hatte, war der letzte Rest der Morgenmüdigkeit verschwunden. Wie um Himmels Willen sollte ich denn den Zug anhalten? Bis der Zugführer merkt, dass da jemand mit der Hand herumfuchtelt, ist er ja schon wieder draußen vom Bahnhof. Ein großes buntes Tuch zum Winken hatte ich auch nicht dabei und auch auf die Methode, einfach den Rock hochzuschieben, einen verlockenden Schmollmund zu machen und mit den Wimpern zu klimpern wollte ich mich auch nicht verlassen. Demnach blieb mir nur eine wirklich praktikable Vorgehensweise:

Bahngeleise

I wort aufn Zug….

Raus auf den Bahnsteig und hoffen, dass der Zugführer nicht schläft!

Mein Hoffen wurde Wirklichkeit, der Zug hielt tatsächlich und ich durfte als einziger Fahrgast auf dieser Strecke mitfahren. Durchs oststeirische Hinterland, vorbei an Kürbis- und Maisfeldern und durch unberührte Waldstücke. Und ob ihr es glaubt oder nicht, kurz nach Söchau geht es wirklich steil bergan und die Äste der Bäume schlagen an die Scheiben des Zugs. Falls ihr jemals in den Genuss kommen solltet, die Strecke von Söchau nach Fehring zu fahren – das ist die berühmt berüchtigte Fink-Poldl-Leitn, auf der zu alten Zeiten Züge tatsächlich an die Grenze ihre Leistungsfähigkeit gekommen sein sollen.

5 Kommentare

  1. Thymi

    Vom Tuktuk auf Tahiti kenne ich das ja…wenn heute ein Datum um den 1.April wäre, hätte ich Dir nicht geglaubt.
    Aber wenn´s doch funktioniert?
    Hast Du auf der Rückfahrt Deinen Haltewunsch durch eine Haltewunschtaste äußern können?

    1. Gerlinde (Beitrag Autor)

      Ja klar, das hat prima geklappt, allerdings musste ich ständig grinsen, wenn die Stimme im Hintergrund daran erinnerte, diese Haltewunschtaste rechtzeitig zu drücken, weil ich Haltewunsch ständig mit Kinderwunsch assoziierte. Wäre doch toll, wenn es so etwas wie eine Kinderwunschtaste bei den ÖBB gäbe *g*

  2. Lemmie

    Hallo Gerlinde!
    Irgendwie hatte ich jetzt den Eindruck, dass es eine Erzählung aus den Anfängen des vorigen Jahrhunderts war … lach.
    Hauptsache, der Zug nahm Dich mit.
    Lieben Gruß
    Lemmie

    1. Gerlinde (Beitrag Autor)

      Tja, so ist es halt hier bei uns auf dem Land. Da scheint hin und wieder die Zeit still zu stehen.

  3. Heide

    Wer sagt da noch, dass die ÖBB nicht sparsam wirtschaftet?
    Alles nach Bedarf!
    Bahnfahren per Anhalter.
    Lieben Gruß

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