ZARTGRAU

Schlagwort Archiv: Advent

Wenig bis keinen Saft

habe ich momentan beim Internet. Bob schwächelt ganz gewaltig, manchmal springt A1 ein, dann flutscht es wieder, aber auch nur ganz kurz. Lange muss ich das aber nicht mehr hinnehmen, denn gestern habe ich den Vertrag für das Glasfaserinternet abgeschlossen. Drei Wochen soll es dauern, bis ich wieder gut ins Netz kann, vielleicht geht es sich auch noch vor Weihnachten aus, hieß es gestern. Naja, ich glaub ja auch nimmer, dass das Christkindl die Geschenke bringt, also auch nicht ans weihnachtliches Surfvergnügen, aber egal, Hauptsache eine Änderung des derzeitigen Zustandes ist absehbar.

So, jetzt mache ich mich fertig und bringe Mutti zum Christbaummarkt, damit sie sich ein Tännchen aussuchen kann, dann kann sie Sorge Nummer eins abhaken, Sorge Nummer zwei muss sie noch ein wenig aushalten – ich habe nämlich noch keine Kekserl gebacken. Das muss aber noch ein paar Tage warten. Zuerst muss ich in den Baumarkt, weil jetzt auch auf der anderen Seite der Küche die Arbeitsflächenbeleuchtung ausgefallen ist und es dafür keine Ersatzröhren mehr gibt, also müssen neue Balken her. Der Spiegelschrank im Badezimmer ist auch hinüber. Zur Zeit geht einfach alles kaputt, Waschmaschine, Kaffeemaschine, Staubsauger – alles schon auf dem Sperrmüll, den blöden Spiegelschrank muss ich jetzt wieder monatelang aufheben – hätte der nicht auch schon vor zwei Wochen die Patschen strecken können? Jo und Abflussreiniger brauche ich noch, denn plötzlich sind alle Wasserabflüsse verstopft. Das Waschbecken habe ich gestern noch frei bekommen, Dusche und Küche nehme ich mir heute vor, sobald ich Nachschub besorgt habe.

Das wars für diesmal und bitte macht euch keine Gedanken, wenn sich in den nächsten Tagen eventuell hier nix tut. Dann bin ich entweder mit durch wieder offene Abflüsse gerutscht, im neuen Spiegelschrank eingesperrt oder das Internet streikt*g*

Das Ende naht

Morgen noch eine Ladung Rahmkekse backen und dann bin ich fertig. Mit dem Kekse backen und den wichtigsten Vorbereitungen. Heute habe ich Mutti zum Christbaumkauf ausgeführt, ein bisserl Ramsch hat sie auch noch gefunden, somit ist Weihnachten gerettet und kann pünktlich am 24. Dezember stattfinden.

Der Bürgermeister war heute hier und hat einen Weihnachtsstern für Mutti mitgebracht. Er hat erzählt, dass er vor Weihnachten ganz schön im Stress ist, weil in unserer relativ kleinen Gemeinde mit 1400 Einwohnern 97 über Achtzigjährige leben, die besucht werden müssen. Weihnachtskekse kann er keine mehr sehen, hat er gesagt und das glaube ich ihm sogar. Ich habe daraufhin gemeint, dass er sich ab nächster Woche eh ein Würstel mit Senf kaufen kann, weil ich am Montag aufs Gemeindeamt kommen werde, um meinen Hund anzumelden und die Hundesteuer zu entrichten. Da hat er gegrinst und geantwortet, dass er sich das Würstel wohl verkneifen müsste, denn, man höre und staune, in unserer Gemeinde gibt es keine Hundesteuer. Grund dafür ist ein Landesgesetz, dass eine Hundesteuer von 60 Euro für Begleithunde pro Jahr vorschreibt, für Jagdhunde aber nur 30 Euro. Und das, sagt er, sieht er nicht ein, dass „des orme olte Muatterl für ihrn dicken Dackl“ 60 Euro und derjenige, der sich das Jagengehen leisten kann, nur 30 Euro zahlen soll. Und darum gibt es zur Zeit eben überhaupt keine Hundesteuer. Kann mir nur recht sein – bin aber gespannt, wie lange das geht.

Das Christkind im Nussbaum

Die ersten zehn Jahre meines Lebens habe ich mit Eltern und Bruder auf dem Vierkanthof meiner Großeltern verbracht. Mitten im riesigen Innenhof stand ein gewaltiger Walnussbaum. Als meine Mutter noch ein kleines Kind war, hatte Großvater diesen Nussbaum gepflanzt, weil er erst spät im Frühling seine Blätter bekommt aber sie früh im Herbst wieder abwirft und somit der richtige Baum war, der dann Schatten spendet, wenn er wirklich gebraucht wird – im Sommer. Der zusätzliche Nutzen, nämlich Fliegen fernzuhalten und reichlich Früchte für köstliche Mehlspeisen zu liefern, war vor allem für meine Großmutter wichtig, dafür hat sie auch das Wegräumen der großen Laubmassen, die im Herbst anfielen, auf sich genommen.

Für meinen Bruder und mich hatte der Nussbaum eine gänzlich andere Bedeutung – er war unser zentraler Spielplatz. An einem seiner dicken Äste hatte unser Vater eine Schaukel angebracht und auf der anderen Seite, am dicken, knorrigen Stamm, konnten wir auf unserem Sandhaufen spielen. Ja, es war wirklich ein Sandhaufen, keine Sandkiste, wie man sie heute kennt. War der Haufen auseinandergetreten oder hatten wir für unsere kleinen Holzstücke, die einmal Autos, das andere Mal Eisenbahnen waren, ein weitläufiges Straßen- oder Bahnnetz angelegt, hat Mutti den Sand mit einem groben Reisigbesen wieder zusammengekehrt und gut wars.

Kam der Herbst, halfen wir eifrig, die vom Baum gefallenen Nüsse einzusammeln. Großmutter hat die Nüsse dann auf große Backbleche gelegt und über Nacht in die Röhren des gesetzten Herdes in der Küche geschoben, wo sie durch die Restwärme über Nacht sanft getrocknet wurden. Irgendwann, als uns Großmutter für groß genug hielt, durften wir auch beim Öffnen der Nüsse mithelfen. Wir hatten damals keinen Nussknacker, sondern öffneten die Nüsse mit einem kleinen, spitzen Messer, indem wir an der oberen Seite der Nuss mit der Messerspitze in die Naht stachen und die Nuss, durch gleichzeitiges Drehen des Messers, spalteten. Das gelang meist ganz problemlos und wenn nicht, wurde mit einem kleinen Hämmerchen die Schale zerschlagen. Das musste aber ganz vorsichtig geschehen, denn Großmutter legte großen Wert darauf, dass kein unbrauchbarer Nussmatsch entstand, schließlich waren Nüsse etwas Kostbares, aus dem für die Großfamilie zum Weihnachtsfest reichlich Nusspotizen und Nussbusserl gebacken werden sollten.

An irgend einem Abend im Advent des Jahres 1957 ist dann etwas geschehen, was weder mein Bruder noch ich je vergessen werden. Wir hatten beide fleißig geholfen, die Früchte aus den Nusshälften zu kletzeln und sind von Großmutter noch mit einer Tasse heißem Kakao und einem Rahmkekserl aus der weihnachtlichen Keksdose verwöhnt worden. Mit einem Gute-Nachtbusserl drückte sie das kleine Händchen meines Bruders in meines und schickte uns Kinder über den Hof zu unseren Eltern. Kaum hatte Großmutter die Tür hinter sich geschlossen, hörten wir ein leises Rascheln, ein Flügelschlagen, aus dem kahlen Geäst des Nussbaumes. Und ob ihr es wahr haben wollt oder nicht – da saß es, das Christkind. Weißstrahlend, aber viel kleiner, als wir es uns in unseren Kinderträumen vorgestellt hatten, bekleidet mit nichts als einem dünnen, weißen Hemdchen, lächelte es uns an und flog, mit seinen kleinen Ärmchen winkend, wieder in den wintergrauen Himmel.

Geglaubt hat uns niemand, als wir unser Erlebnis ganz aufgeregt erzählt hatten. Mutti, Papa, Großmutter und auch Tante Nanni schmunzelten, flüsterten dann aber hinter vorgehaltener Hand von Eulen, Käutzchen oder Tauben. Nur Großvater blieb fast ganz ernst, obwohl seine Augen spitzbübisch funkelten und meinte, dass es ganz bestimmt nichts Anderes als das Christkindl gewesen sein konnte.

Heute gibt es den großen, alten Nussbaum unserer Kindheit nicht mehr und auch nicht den Vierkanthof. Es gibt nur noch das Häuschen meiner Mutter und das Sommerhäuschen als Teile davon. Die Großeltern sind seit langem tot, wir schon längst keine Kinder mehr und etwa dort, wo früher der Nussbaum stand, steht nun eine vom kletternden Spindelstrauch überwachsene Säule. Aber jedes Jahr zur Weihnachtszeit denken wir daran, dass wir das Christkind gesehen haben, damals vor vielen, vielen Jahren, hoch oben in unserem geliebten Nussbaum.